Human-Wildlife Conflict

Die problematische Beziehung zwischen Menschen und der Tierwelt ist eine sehr alte Geschichte. Als die menschliche Bevölkerung im Laufe der Jahrhunderte wuchs und sich ausbreitete, haben die Menschen versucht, das Land und seine Ressourcen sowohl als Lebensraum als auch für wirtschaftliche Aktivitäten zu nutzen. Dies hat die Lebensräume der Tiere zunehmend unter Druck gesetzt. Dies sind nur einige der Faktoren, die zu Mensch-Tier-Konflikten (HWC) geführt haben. Im folgenden werden zwei Projekte vorgestellt, in deren Mittelpunkt die Vermittlung im Mensch-Tier-Konflikt steht.

Löwen-Warn System

Im Okavango-Delta in Botswana leben noch immer rund 1.200 Löwen, bis zu 70 davon an der Nordgrenze des 1.000ten Weltkulturerbes der UNESCO. Aber Löwen werden in diesem Gebiet immer wieder erschossen und manchmal auch vergiftet. In den meisten Fällen ist der Grund dafür, dass Löwen das Nutztier der Menschen angreifen. Allein in den letzten anderthalb Jahren wurden mehr als 150 Fälle registriert, in denen Löwen frei lebende Rinder getötet haben.

In Zusammenarbeit mit Forschern der Raubtier-Schutzorganisation CLAWS Conservancy helfen wir, diesen Konflikt mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie zu entschärfen. Der Ansatz der Gruppe beinhaltet eine einzigartige Entwicklung. Basierend auf virtuellen Risikobegrenzungen, die von Löwen- und Rinderbewegungen, aber auch von menschlichen Aktivitäten beeinflusst werden, haben wir das erste IKT-gestützte Löwenwarnsystem für ländliche Gemeinschaften entwickelt, das Kompetenzen aus Ökologie, Ethnographie und Sozialinformatik vereint. Die Gemeinden erhalten nun nahezu in Echtzeit Warnmeldungen, wenn sich GPS-gekoppelte Löwen den Weideflächen von Dörfern und Rindern nähern, so dass sie vorbeugende Maßnahmen ergreifen können.

Diese Art der Frühwarnung bietet einen neuen transdisziplinären Mechanismus zur Verbesserung der Koexistenz von Gemeinschaften mit freilebenden Löwen. Die Gruppe liefert eine detaillierte empirische Bewertung der allgemeinen Methode (basierend auf einer zweijährigen Pilotstudie), in der die Stärken und Schwächen der Frühwarnung skizziert werden, gefolgt von der Entwicklung einer autonomen, vielseitigen, IKT-basierten Löwenalarmplattform, die biologische Daten, moderne Ortungs- und Telekommunikationstechnologie und Feedback zur Beteiligung der Bevölkerung zusammenführt.

Die kollaborative Studie zeigt, dass der Informationsaustausch durch Frühwarnung die Gemeinschaften in die Löwenforschung und Konfliktminderung einbezieht und wichtige Veränderungen im Human Risk Management mit sich bringt. Die Studie bietet eine Vorlage für die erfolgreiche Gestaltung von Koexistenzstrategien mit ländlichen Gemeinschaften. Die Gruppe untersucht kritisch die Entwicklung ihres Systems und zeigt die Bedeutung eines multidisziplinären Forschungs- und Entwicklungsprozesses, der die Komplexität von Konflikten und die Heterogenität von Gemeinschaften widerspiegelt.

Wölfe in Deutschland

Seit gut 20 Jahren zählen wir Wölfe wieder zu unseren Nachbarn. Die Meinungen sind gespalten: während viele sich über die Rückkehr der großen Beutegreifer freuen, haben andere, vor allem Bewohner*innen ländlicher Regionen und Weidetierhalter*innen Sorge um ihre Existenz und sogar persönliche Sicherheit. Bei etwa 1000 Wölfen gab es in Deutschland allein 2018 bereits fast 900 Übergriffe auf Weidetiere, Tendenz bisher steigend.

Zahlreiche Organisationen und Projekte haben sich mit dem Problem befasst. Die Bundesländer reagierten mit variablen Zuschüssen für wolfsabweisende Zäune und Herdenschutzhunde, was leider dennoch nicht immer Angriffe auf Weidetiere verhindern kann. Die größten Probleme für Landwirt*innen beim Herdenschutz sind unter anderem die fehlende Zeit und Arbeitskraft sowie infrastrukturelle Hürden. Eine der vielversprechendsten Initiativen, die diese Herausforderung adressiert, ist WikiWolves, in denen Landwirt*innen die Möglichkeit zur Unterstützung durch Freiwillige und letztere die Chance für Wissen und Erfahrung aus erster Hand und Austausch erhalten. Dieser Ansatz soll erweitert und im Rahmen einer Design Case Study in eine ICT-basierte Plattform überführt werden.

Mithilfe von Interviews und Action Research sollen zunächst die Praktiken, Einstellungen und Herausforderungen von Landwirt*innen, Jäger*innen und Wolfsexpert*innen untersucht werden. Auf dieser Basis soll eine Lösung erarbeitet werden, die den Mensch-Wolf-Konflikt auf menschlicher Ebene adressiert. Die Entwicklung erfolgt nutzerzentriert, iterativ und in enger Zusammenarbeit mit den oben genannten Stakeholdern und Projektpartner*innen.

Das Projekt soll drei zentrale Ziele verfolgen:

  • Zentral und barrierefrei verfügbare und fundierte Informationen und Beratung für Betroffene und Interessierte zum Thema Wolf und Herdenschutz zur Verfügung stellen
  • Unvoreingenommenen Austausch zwischen Interessengruppen, insbesondere Verbindung von ländlicher und städtischer Bevölkerung, sowie gegenseitige Unterstützung fördern
  • Bürger*innen in ein effektives Wolfsmonitoring und -management mithilfe von Citizen Science einbinden.

Veröffentlichungen

“Lions at the gates: Transdisciplinary design of an early warning system to improve human-lion coexistence” wurde beim Journal Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlicht: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fevo.2018.00242/full

Workshop auf der CHI 2021: Artificially Intelligent Technology for the Margins: A Multidisciplinary Design Agenda (https://techforthemargins.wordpress.com/background/)